Dr.
Wolfgang Klosterhalfen, In der Donk 30, 40599 Düsseldorf, 23.1.2014
Staatsanwaltschaft Freiburg i.Br.
Kaiser-Joseph-Straße 259
79098 Freiburg i.Br.
Sehr geehrte Damen und Herrn,
ich bitte Sie
zu prüfen, ob es sich bei den folgenden Äußerungen des Freiburger Erzbischofs
Dr. theol. Robert Zollitsch um Straftaten im Sinne des §130 StGB
(Volksverhetzung) handelt, wonach u.a. zu bestrafen ist, wer in einer
Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde
anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig
verächtlich macht oder verleumdet.
Herr Dr.
Zollitsch hat am 14.1.2014 beim Neujahrsempfang der Erzdiözese Freiburg eine
Rede gehalten und sich dabei in einer Weise geäußert, die geeignet ist, das
friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen
empfindlich zu stören. Herr Dr. Zollitsch sagte dabei wörtlich:
„Die Frauen und
Männer, die bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im
Parlamentarischen Rat saßen, waren sich – so unterschiedlich sie auch in
vielerlei Hinsicht waren – ausnahmslos darüber einig, dass es nie wieder so
kommen darf, wie es war. Sie haben deutlich gemacht: Einem Volk ohne Gott fehlt
die Mitte; ein Volk ohne Gott gleicht einer hohlen Fassade ohne wohnlichen
Kern. Der Schritt ist nicht weit: Von einer geistig entkernten Gesellschaft zum
gewissenlosen Menschen, der keine innere Verpflichtung mehr spürt; zum
rastlosen Menschen, der um Stille und Besinnung nicht mehr weiß; zum
apathischen Menschen, dem das geistliche Rückgrat gebrochen wurde; oder gar zum
aggressiven Menschen, der – wie Herr Bundesanwalt Griesbaum hervorhob – für
Ideologien anfällig wird, und seine innere Spannung und geistliche Not an
Anderen abreagiert. ... Wenn uns etwas in heilige Sorge versetzen und unser
Gewissen beunruhigen soll, dann ist es die Tatsache, dass so viele unserer
Brüder und Schwestern ohne die Kraft und das Licht und den Trost der
Freundschaft mit Jesus Christus leben, ohne eine Glaubensgemeinschaft, die sie
aufnimmt, ohne einen Horizont von Sinn und Leben ... so Papst Franziskus.“
Quellen:
Internetseite des Bistums Freiburg und eine von dieser Seite aus (ganz unten)
aufrufbare Tonaufzeichnung (ab 12:39 und ab 19:19)
http://www.ebfr.de/html/aktuell/aktuell_u.html?&m=19718&artikel=29920&cataktuell=955
Dem 2005
veröffentlichten „Eurobarometer“ der Europäischen Kommission ist zu entnehmen,
dass nur noch 47% der Deutschen an einen Gott glauben. Weitere 25 Prozent
glauben an ein nicht näher definiertes höheres Wesen oder eine höhere Macht,
und 25 Prozent glauben nichts dergleichen. Quelle:
http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_225_report_en.pdf
(Seite 11)
Herr Dr.
Zollitsch hat vor geladenen Gästen und via Internet die Menschenwürde anderer
dadurch angegriffen, dass er die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschimpft,
böswillig verächtlich gemacht und verleumdet hat:
- Ungläubige
würden die Gesellschaft geistig entkernen.
- Ungläubige
seien nicht weit davon entfernt, gewissenlos zu handeln, weil sie keine innere
Verpflichtung mehr spürten.
- Ungläubige
seinen nicht weit davon entfernt, mit gebrochenem geistigen Rückrat apathisch
zu werden.
(Korrektur:
Herr Dr. Zollitsch sprach von einem gebrochenen geistlichen Rückrat. WK)
- Ungläubige
könnten sogar aggressiv und für Ideologien anfällig werden und ihre innere
Spannung und geistliche Not an Anderen abreagieren.
- Menschen, die
ohne den Glauben an Jesus Christus lebten, täten dies ohne einen Horizont von
Sinn.
(An dieser
Stelle werden zusätzlich gläubige Juden und Muslime sowie Anhänger weiterer
nicht-christlicher Religionen beleidigt.)
Herr Dr.
Zollitsch hat in seiner Rede ungläubige Bürger und Bürgerinnen als moralisch
minderwertig diffamiert. In seinem christlichen Chauvinismus übersieht er, dass
in Regionen, in denen das Christentum eine geringe Rolle spielt (z.B. in den
neuen Bundesländern und in den skandinavischen Ländern) von einem Niedergang
der Moral nicht die Rede sein kann, und umgekehrt Länder mit hohem Anteil von
Christen wie die USA, Mexiko, Kolumbien und Venezuela viel höhere
Kriminalitätsraten haben als die erstgenannten.
Ferner
ignoriert Herr Dr. Zollitsch, dass seine Kirche der beste Beweis dafür ist,
dass nicht Zweifel an der Existenz eines Gottes, sondern insbesondere
christlich-religiöse Ideologien in den letzten 2000 Jahren die Entstehung von
Verbrechen und Kriegen begünstigt haben (z.B. jahrhundertelange Verfolgung und
Ermordung von Juden, Zwangschristianisierung, Kreuzzüge, der Dreißigjährige
Krieg, Folter von „Ketzern“, Kerkerhaft unter übelsten, teilweise tödlichen
Bedingungen, Verbrennen bei lebendigem Leib in tausenden von Fällen, Unterstützung
der Nazi-Diktatur, Ausbeutung und Misshandlung von Heimkindern, systematische
Vertuschung von sexuellen Übergriffen durch Priester, Geldwäsche). Welch
gefährliche Wirkungen von Religionen ausgehen können, führen auch die aktuellen
Gewalttätigkeiten zwischen Schiiten und Sunniten eindrücklich vor Augen.
Zum Glück gibt
es auch prominente Christen, denen gruppenbezogene Feindseligkeit fremd ist.
Als ein Beispiel sei Prof. Hans Küng zitiert, der sich kulturvergleichend mit
ethischen Fragen beschäftigt hat und in seinem Buch „Was ich glaube“ (Piper,
2010) schreibt:
„Es erscheint
mir inakzeptabel, dass die Angehörigen anderer Religionen und erst recht
Atheisten und Agnostiker gar keinen festen Standpunkt in ihrem Leben, kein
Lebensvertrauen zu erreichen vermöchten. … Es gibt schließlich Menschen,
die haben ein Lebensvertrauen, ohne gleichzeitig einen religiösen Glauben zu
besitzen. Lässt sich doch nicht bestreiten, dass sie, der Erde verbunden, das
Leben genauso gut oder manchmal sogar besser als bestimmte Gläubige bestehen
können. Sie schöpfen ihr Grundvertrauen aus menschlichen Beziehungen, aus
produktiver Arbeit, aus wissenschaftlicher oder politischer Tätigkeit, aus
einem humanen Ethos. Daraus folgere ich: Aus ihrem Grundvertrauen heraus können
auch Atheisten und Agnostiker ein echt menschliches, also humanes und in diesem
Sinn moralisches Leben führen. Mit anderen Worten: Aus Atheismus folgt nicht
notwendig ein Nihilismus. An diesem Punkt muss ich Dostojewski widersprechen:
Auch wenn Gott nicht existierte, ist keineswegs alles erlaubt!“
Die
dummdreisten Behauptungen von Herrn Dr. Zollitsch sind nichts grundsätzlich
Neues. Schon in den Psalmen werden Atheisten als Toren verunglimpft, und auch
andere prominente Christen haben ähnliche Schmähreden gehalten:
Herr Dr.
Zollitsch bewegt sich in seiner Rede außerhalb des Rahmens von Religions- und
Meinungsfreiheit, die wir bekanntlich nicht Bischöfen, sondern mutigen und
intelligenten Menschen verdanken, die sie in langen Kämpfen gegen den zähen
Widerstand der Kirchen durchgesetzt haben. Herr Dr. Zollitsch hat in seiner
skandalösen Ansprache Millionen von Menschen in ihrer Würde herabgesetzt und
damit zu einer Spaltung der Gesellschaft beigetragen. Ich würde es daher
begrüßen, wenn die Staatsanwaltschaft Freiburg ein Ermittlungsverfahren gegen
Herrn Dr. Zollitsch eröffnen würde.
Mit
freundlichem Gruß
(W. Klosterhalfen)
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Aus der
Entgegnung der Staatsanwaltschaft Freiburg (Staatsanwalt Dr. Rink) vom
4.2.2014:
„Nach dem vom
Anzeigerstatter mitgeteilten Wortlauf der Rede ist der Tatbestand der
Volksverhetzung jedoch nicht verwirklicht. In den zitierten Äußerungen ist kein
Angriff auf die Menschenwürde von Nichtchristen zu sehen, und diese werden auch
nicht beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet, was
Voraussetzung des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB wäre. Ein Angriff auf die
Menschenwürde anderer liegt regelmäßig dann vor, wenn diesen das Recht
abgesprochen wird, als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen
Gemeinschaft zu leben. Hiervon kann bei der geäußerten Meinung, die sich zudem
nicht auf eine konkret abgrenzbare Gruppe bezieht, keine Rede sein. Die
Äußerungen bewegen sich vielmehr klar im Rahmen der zulässigen
Meinungsfreiheit, ein Ermittlungsverfahren war daher nicht einzuleiten.“
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Wolfgang
Klosterhalfen
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